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Serie: 60 Jahre letzter Meistertitel - „Du Rotzbua, steh auf!“ (Teil 4)

30. Juni 2015 | Historisches zur Übersicht >

Serie: 60 Jahre letzter Meistertitel– der Weg zum Sechser!

von Alexander Juraske

Serie: 60 Jahre letzter Meistertitel

Der Sprung aus dem Nachwuchs in die Kampfmannschaft ist schwer. Wir sprachen mit Vienna Legende Hans Buzek über seinen Durchbruch im Meisterjahr und seine wunderbaren Jahre auf der Hohen Warte.

Waren Sie schon als Kind auf der Hohen Warte?

Meine Eltern hatten ein Gemüsegeschäft in der Pantzergasse im 19. Bezirk und mein Vater war ein glühender Anhänger der Vienna. Im Alter von sechs Jahren hat mich mein Vater auf die Hohe Warte mitgenommen. Vor jedem Spiel wurde der Tormann eingeschossen. Wir Buben haben die verschossenen Bälle zurückgeholt.

Wie sind sie dann schlussendlich Spieler der Vienna geworden?

Wir haben natürlich auf der Gasse gespielt. Letztendlich ausschlaggebend war aber ein Schülermatch. Bei einem Klassenmatch auf der Hohen Warte hat der damalige Trainer Leopold Hofmann zugeschaut und mich angesprochen, ob ich nicht zur Vienna kommen will. Ich war sofort begeistert und durfte noch einen Freund mitnehmen.

Sie haben dann überaus erfolgreich bei der Vienna im Nachwuchs gespielt. In der Frühjahrssaison 1955 wurden Rufe laut, sie in der ersten Mannschaft zu bringen. Doch da gab es auch gewisse Widerstände?

Am Anfang war Trainer Hofmanndagegen. Er meinte, ich wäre zu jung und würde der Belastung nicht standhalten. Es war damals auch nicht üblich, so junge Spieler einzubauen und schließlich kämpfte der Verein ja um die Meisterschaft.Aber schließlich debütierten sie am 07.05. 1955 auf der Hohen Warte gegen den SV Kapfenberg

Ja, und ich konnte gleich ein Tor erzielen. Leider habe ich mich bei einem Testspiel verletzt und musste gleich pausieren.

Wissen sie noch was an ihrem 17. Geburtstag am 22.05. 1955 passiert ist?

Natürlich, wir haben zuhause gegen Rapid gespielt und 5:0 gewonnen. Ich hab auch ein Tor beigesteuert. Ich hatte großen Respekt vor Rapid und die Gegenspieler wollten mir als Jungen auch ein bisserl die „Schneid“ abkaufen. Mein GegenspielerFranz Golobic hat mich bei meiner ersten Aktion gleich hart foulte. Ich lag am Boden und anstatt sich zu entschuldigen, brüllte er mir ins Ohr: „Du Rotzbub, steh auf! Du kannst mi da net vor die Leut reindrahn!“Aber es hat nichts gemacht, wir haben an diesem Tag Rapid vollkommen beherrscht. Über zwei Jahre haben wir Rapid immer wieder geschlagen und oft auch sehr hoch.

 Haben sie von Anfang an bei der Vienna die Mittelstürmerposition eingenommen?

Ja, unsere Angriffsreihe warGrohs, der im Frühjahr Menasse ablöste, Walzhofer neben mir und auf der anderen Seite Jericha und Pichler. Das war unsere Standardaufstellung im Frühjahr.

Eine große Verantwortung für einen jungen Spieler?

Auf alle Fälle, aber ich kann nur sagen, dass mich alle Spieler – ob es ein Schmied, Koller, oder Walzhofer war – unterstützt und mir geholfen haben. Ich hab versucht die Unterstützung mit Toren zurück zu zahlen.Teilweise waren die Funktionäre da etwas anders. Ich kann mich an ein Spiel erinnern, wo ich auf der Höhe der Mittellinie einen Fehlpass gemacht habe. Da haben sich zwei Vienna Funktionäre auf der Tribüne aufgeregt und herunter geschrienen. Aber da lief schon der Walzhofer zu mir her, hat mich aufgemuntert und ich hab mich gleich wieder aufs Spiel konzentriert.Persönlich hatte ich das Gefühl, dass Mitte der 1950er Jahre der Umgang zwischen arrivierten Stars und jungen Spielern viel angenehmer war, als vergleichsweise zehn oder zwanzig Jahre früher. Ich kann mich erinnern, wie ich als Zuschauer auf der Hohen Warte gesehen und gehört habe, wie Karli Decker einen jungen Spieler zusammen gestaucht hat. Das war später nicht mehr so. Wichtig war auch, dass die Mannschaft gesehen hat, ich bringe meine Leistung und schieße Tore. Ich hab mich sonst auch einwandfrei verhalten. So habe ich mir den Respekt der erfahrenen Spieler verdient.

In der letzten Runde traf die Vienna auf die Austria und verlor. Gleichzeitig konnte der Wiener Sport-Club mit einem Sieg in Graz gegen den GAK Meister werden. Euer Spiel war beendet, in Graz wurde noch gespielt.

Wir haben leider verloren, weil die Austriaan diesem Tag einfach stärker war. Nachdem Schlusspfiff waren wir sehr enttäuscht. Wir haben gewartet wie die Partie in Graz ausgeht und dann war es dortendlich aus. Der Sportclub hatte nur einen Punkt geholt und wir haben gejubelt. Es war ein bisserl eigenartig. Wir hatten verloren, wurden aber trotzdem Meister. Es war natürlich gerade für mich jungen Spieler ein großartiges Gefühl, dabei zu sein.

Welche Faktoren waren ausschlaggebend für den Gewinn der Meisterschaft 1954/1955?

Auf der einen Seite hatten wir eine sehr gute Abwehr und mit Kurt Schmied einen sicheren Rückhaltim Tor gehabt. Dazu war die Umstellung im Sturm entscheidend. Da war es wichtig, dass wir immer in der gleichen Formation gespielt haben. Dadurch, dass das Training noch nicht so vielfältig war wie heute, war die Spielpraxis noch wichtiger. Wir haben zwar auch viermal trainiert aber es war natürlich in der Intensität ganz anders als heute.

Wie war das damals in der Herbstmeisterschaft 1954, da waren sie noch nicht Teil der Vienna Kampfmannschaft. Haben sie da die Spiele der Vienna als Fan verfolgt?

Selbstverständlich das ging auch gar nicht anders, weil mich mein Vater zu jedem Spiel mitgenommen hat. Da musste dann meine Mutter allein im Geschäft stehen. Ich war damals ja noch für die Schüler und die Jugend spielberechtigt. 1955 ist es an gewissen Tagen schon vorgekommen, dass ich um 9 Uhr bei den Schülern gespielt habe, anschließend in der Jugend und am Nachmittag dann in der ersten Mannschaft. In der Saison 1954/1955 bin ich Meister mit den Schülern, in der Jugend und mit der Kampfmannschaft geworden.

Wie war die Stimmung auf den Rängen der Hohen Warte, gab es da schon wirkliche Anhänger?

Mein Vater war ein gutes Beispiel. Natürlich ganz anders als heute, nicht so organisiert wie heute im Fanblock. Die Hohe Warte war oft gutbesucht, gerade wenn es die Doppelveranstaltungen gab. Wenn wir aus der Kabine rausgekommen sind, haben auch schon Autogrammjäger auf uns gewartet. Es sind sogar Fans bei den Auswärtspartien dabei gewesen. In Wien sowieso aber auch wenn wir etwa nach Graz gefahren sind. Da sind dann die Anhänger im Bus mitgefahren, da war es manchmal ganz schön voll.

Wie war das für sie den Fußball und eine Berufsausbildung zu verbinden?

Ich hatte mit Josef Krakowski einen tollen Arbeitgeber. Als ich älter wurde, stellte sich die Frage, was ich lernen solle. Ich hatte ja eigentlich nur Fußball im Kopf. Dann sind die Eltern mit mir zur Berufsberatung gegangen. Da gab es freie Stellen bei den Goldschmieden und dann bin ich halt Goldschmied geworden. So spielt das Leben und es war die richtige Entscheidung. Krakowski war großartig, hat mich sehr unterstützt und ich war auch fleißig. Wie ich dann in die erste Mannschaft gekommen bin, ist der ORF zu uns in die Werkstatt gekommen. Meine Eltern haben ihr Geschäft dann in der Pantzergasse aufgegeben und ich hab mir dort dann eine kleine Werkstatt eingerichtet. Ich habe dann mit dem Chef ausgemacht, ich arbeite in meiner Werkstatt. Das war natürlich viel näher fürs Training. Die Arbeit musste gemacht werden, aber ich konnte es mir einteilen. So konnte ich Beruf und Fußball bestens verbinden. Das ging aber nur, weil ich gut gearbeitet habe und das Vertrauen rechtfertigte. Der Beruf war wichtig für mich. Gerade auch für die Zeit nach der Karriere. Ich habe dann die Meisterprüfung gemacht und habe mir mit dem Transfer von der Vienna zur Austria mein eigenes Geschäft aufgebaut.

Wichtig in der damaligen Zeit waren die Auslandstourneen, gibt’s da spezielle schöne Erinnerungen an Tourneen mit der Vienna?

Um Weihnachten herum gab es immer eine große Tournee. Da waren wir fast sechs Wochen unterwegs. Auch im Sommer gab es meist eine Spielreise. Das ging damals noch, weil der Europacup noch nicht so wichtig war. Diese Auslandstourneen waren etwas ganz besonderes. Die tollste Reise für mich war zum Jahreswechsel 1957/1958 nach Südamerika, wo wir über 15 Spiele absolvierten. Wir sind etwa gegen Independiente aus Argentinien oder gegen Penarol und Nacional aus Montevideo angetreten. Besonders beeindruckend war unser Besuch in Bolivien. Wir sind in La Paz am Flughafen auf 3700 Meterangekommen. Zuerst hat keiner eine Luft bekommen und wir haben uns gefragt, da sollen wir spielen? Wir sind dann in Bolivien auch ein bisserl ins Landesinnere gefahren. Für mich ein ganz besonderes Erlebnis. Fast ganz Südamerika haben wir bereist. Endstation war dann in New York. Dort hätten wir auch ein Spiel machen sollen, aber aufgrund von starken Schneefällen konnten wir leider nicht spielen. Dafür waren wir in der Show von Mario Lanza in der Radio City Music Hall.

Sie sind dann 1963 zur Austria gewechselt, ihr Abgang von der Vienna verlief nicht ganz reibungsvoll?

Ja, mein Vertrag ist ausgelaufen und ich wollte eigentlich bei der Vienna bleiben. Natürlich wollte ich auch eine gewisse finanzielle Verbesserung. Meine Forderungen waren aber nicht überzogen. Die Vienna Verantwortlichen haben aber brüsk abgelehnt. So habe ich einfach bei der Vienna aufgehört. Davon hat Joschi Walter (Josef „Joschi“ Walter, wichtiger und langjähriger Austria Funktionär) erfahren. Er kannte mich ja gut, weil er im Meisterjahr Ersatzspieler bei der Vienna war. Er hat mich angerufen. Joschi war einmalig und vor allem hatte er Handschlagqualität. So bin ich dann zur Austria. Die Violetten hatten damals auch eine tolle Mannschaft mit Horst Nemec, Ernst Fiala und dem Brasilianer Jacare.

Gab es einmal ein Angebot aus dem Ausland?

Einmal wollte mich Independiente kaufen. Wir haben ja auf unserer Tournee gegen sie gespielt. In diesem Spiel bin ich anscheinend positiv aufgefallen. Da haben sie mir einen Millionenvertrag geboten. Aber meine Kinder waren klein und ich hatte mein Geschäft. Es wäre einfach ein zu großes Risiko gewesen.

Haben sie nach ihrer aktiven Zeit immer den Kontakt zur Vienna gehalten?

Jetzt hat mich die Vienna entdeckt. Eine Zeitlang bin ich nicht raufgegangen, da war ich schon zornig, weil meine Verabschiedung sehr negativ war. Oft tut die Profilierungssucht der Funktionäre den Vereinen nicht gut. Ich war ja auch eine Zeitlang Sportdirektor bei der Vienna und habe Jiri Ondra und den Finnen Lipponen auf die Hohe Warte geholt. Damals hatten wir eine gute Mannschaft, die sich dann noch zweimal für den UEFA-Cupqualifizieren konnte. Davon sind wir leider weit weg. Am meisten tun mir die Anhänger im Fanblock leid, die die Mannschaft so toll unterstützen und für so eine grandiose Stimmung sorgen. Zu meiner Zeit wollten wir immer Meister werden und der Abstand zu Rapid und Austria war damals nicht so groß. Leider hat sich das bis heute dramatisch verändert.

In 320 Spielen für die Vienna erzielte Johann „Hans“ Buzek 314 Tore, errang 1954/1955 den Meistertitel und wurde 1956 sowie 1966 österreichischer Torschützenkönig. Mit 17 Jahren feierte er sein Debüt im österreichischen Nationalteam und kam auf 42 Länderspiele. Für Österreich nahm er an der Fußball-Weltmeisterschaft 1958 in Schweden teil. 1963 wechselte Buzek zu Austria Wien. Weitere Stationen seiner erfolgreichen Karriere waren der Wiener Sport-Club, FC Dornbirn sowie Rapid Wien und Austria Klagenfurt.